Der HEV rühmt sich mit Fortschritten, die gegen seinen Willen zustande kamen.

Der Hauseigentümerverband bekämpft das neue Energiegesetz und setzt auf Freiwilligkeit. Dabei rühmt er, wie viel die Hauseigentümer schon erreicht hätten im Klimaschutz. Doch die Basis für diese Entwicklung legte das Energiegesetz von 1995 – welches der Hauseigentümerverband vehement bekämpfte. Zum Glück erfolglos.

Am 28. November stimmt der Kanton Zürich über das Energiegesetz ab. An der Pressekonferenz rühmte der Hauseigentümerverband: «Die Hauseigentümer seien die grössten Klimaschützer überhaupt». Das zeige ja, wie gut die Freiwilligkeit funktioniere, es brauche kein Gesetz. Ja, im Gebäudebereich wurde einiges erreicht. Die CO2-Emissionen durch Heizungen sind um rund einen Drittel gesunken seit 1990. Sie sinken zwar nicht schnell genug, um die Klimaziele zu erreichen. Aber immerhin sinken die Emissionen - Ganz im Gegensatz zum Verkehr. Daraus zu schliessen, dass keine staatlichen Massnahmen nötig sind für Klima- und Umweltschutz, ist aber sehr falsch. Hier meine Einschätzung, wie die bisherigen Erfolge zustande gekommen sind und warum es das Energiegesetz braucht, damit wir die Klimaziele erreichen.

Fortschritt passiert in der Regel in kleinen Schritten. Zuerst braucht es eine Pionierin, die etwas komplett Neues probiert. Als nächstes wird das Konzept kopiert und dadurch verbessert. Irgendwann ist es genug ausgereift, dass daraus Vorschriften werden, die für alle gelten.
So läuft es auch im Gebäudebereich: Im Jahr 1990 hat der Kanton Zürich den Bau der Siedlung «Im Boller» in Wädenswil unterstützt. Diese Siedlung zeigte erstmals, dass es möglich ist Bauten zu erstellen mit einem Wärmebedarf von nahezu Null. Eine kleine Revolution. Aus diesen Erfahrungen entstand später der Standard «Minergie», den es heute noch gibt. Der Kanton Zürich war Mitbegründer des Minergie-Standards. Heute ist Minergie schon fast Standard. Wie kam es dazu?

Das Energiegesetz von 1995
Am 25. Juni 1995 stimmte die Stimmbevölkerung des Kantons Zürich über das Energiegesetz ab. Mit dieser Vorlage namens «Sparsamer Umgang mit Energie» sollte die Vorschrift erlassen werden, dass bei Neubauten mindestens 20% der Wärme durch erneuerbare Energien zu decken ist (1). Damals waren Öl- und Gas-Heizungen Standard. Wer war damals vehementer Gegner dieser Gesetzesänderung? Richtig vermutet: Der Hauseigentümerverband (HEV).

Der HEV hat in diesem Abstimmungskampf wirklich alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das Gesetz als Pfusch und «eine der schlechtesten Vorlage der letzten Jahre» zu diskreditieren. Mit wahren Horrorszenarien, der Beschwörung gigantischer Kostenexplosionen, zuletzt mit der Verbreitung von Katstrophenstimmung im Falle einer Annahme bestritten sie eine flächendeckende Inserate- und Propagandakampagne, in der sie auch vor unzutreffenden Behauptungen nicht zurückschreckten.
So steht es wörtlich in der NZZ am Tag nach der Abstimmung am 26.05.1995 (2). Umstritten war vor allem auch die verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung. Diese Bestimmung führte dazu, dass der Mieterverband aus Angst vor abwälzbaren Nachrüstkosten die Stimmfreigabe beschloss. Es gibt also erstaunliche viele Parallelen zum aktuellen Abstimmungskampf ums neue Energiegesetz.

Ausschnitt aus der Abstimmungszeitung von 1995.

Inserat der Gegner des Energiegesetzes in der NZZ, 10. Juni 1995

Zurück zur Abstimmung im Juni 1995: Denn trotz der immensen Gegenkampagne des HEV nahm die Stimmbevölkerung das Energiegesetz am 25. Juni 1995 mit 52.8% der Stimmen an. Das Gesetz trat 1997 in Kraft. Mit diesem Gesetz war der Kanton Zürich ein Pionier in der Schweiz. Viele Kantone kopierten danach diese Regelung. Später wurde diese Regelung zur Basis der MuKEn 2000: Der Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich, die kontinuierlich weiterentwickelt wurden.

 Das Energiegesetz führte dazu, dass Neubauten besser gedämmt wurden und es leitete den Aufstieg der Wärmepumpe als klimaneutrale Heizung ein. Schritt um Schritt wurden Vorschriften für die Wärmedämmung erhöht, um den Energieverbrauch zu reduzieren. Grosse Fortschritte wurden erreicht durch die Vorschrift für dreifach-verglasten Fenster.
Heute sind alle Neubauten gut gedämmt und werden fast ausschliesslich mit Wärmepumpen beheizt. Das hatte auch einen Einfluss auf die Wärmedämmung bei energetischen Sanierungen und führte Schritt für Schritt zu der Reduktion der CO2-Emissionen.  

Die Entwicklung geht weiter
Für Klimaschutz ist heute vor allem der Gebäudebestand die grosse Herausforderung. Die bereits erwähnten Mustervorschriften wurden weiterentwickelt mit einem Modul zum Heizungsersatz (Muken 2014). Es führt Regeln ein für den Ersatz von defekten Heizungen in bestehenden Gebäuden. Diese Gesetzesrevision wurde bereits in 17 Kantonen beschlossen. Im Kanton Freiburg führte die Regelung dazu, dass im letzten Jahr 97% der defekten Öl- und Gasheizungen durch Wärmepumpen, Fernwärme oder Holz ersetzt wurden. Der Kanton Zürich ist einer der Kantone, die noch keine Regelung haben. Damit drückt er die CO2-Statistik des Bundes also eher nach oben, als nach unten.

Mit dem zur Abstimmung stehenden Energiegesetz kann der Kanton aufschliessen. Ein Ja am 28. Nov wird den Klimaschutz im Kanton und in der Schweiz beschleunigen. Und das ist dringend nötig, um die Klimaziele von Paris zu erreichen. Dies zeigt die Illustration mit einer Abschätzung der Wirkung des Energiegesetzes.

Entwicklung der CO2-Emissionen des Kantons Zürich mit und ohne Energiegesetz. Annahme, dass nur noch 10% der Heizungen fossil ersetzt werden mit dem Energiegesetz, wie dies im Kanton Basel Stadt der Fall ist.

 

Fazit
Für Fortschritt braucht es also beides: Es braucht einerseits Pioniere und solche die freiwillig nachziehen. Und andererseits braucht es verbindliche Regeln, die für alle gelten, damit Klima- und Umweltschutz flächendeckend umgesetzt wird.
Glücklicherweise konnte die Angst-Kampagne des HEV 1995 nicht überzeugen. Danke einer starken Pro-Kampagne wird das dem HEV - so hoffe ich doch - auch dieses Mal nicht gelingen.

Martin Neukom
23. Okt 2021

Quellen:
1. Abstimmungszeitung, Kanton Zürich, 25. Juni 1995 (link)
2. NZZ-Artikel, 25. Juni 1995 (link)

Martin Neukom