Wie Solar- und Windenergie die weltweiten CO2-Emissionen zum Sinken bringen könnten

Aktuell gibt es einige Stimmen, die sagen, dass bezüglich Klimaschutz sowieso nichts mehr zu machen sei. Die Menschen wollen sich nicht ändern und sowieso stosse China enorm viel CO2 aus. Und das alles stimmt sogar zur Hälfte. Bereits heute ist klar, dass einige gravierende Auswirkungen der Klimakrise nicht mehr zu vermeiden sind. Und: Ja, es stimmt, dass China jährlich rund 11 Milliarden Tonnen CO2 ausstösst und damit der grösste Emittent ist [1].

Aber eben: Es stimmt eben nur zur Hälfte. Die andere Hälfte möchte ich in diesem Blogbeitrag beleuchten.

Und zwar befinden wir uns mitten in einer technologischen Revolution. Die Tragweite dieser technologischen Revolution ist vergleichbar mit der Industrialisierung, der Einführung der Dampfmaschine, des Aufkommens des Automobils Anfang des 20sten Jahrhunderts oder des IT-Zeitalters ab 1970. Um was geht es? Es geht um erneuerbare Energien, Solar, Wind und Batterien. Es sind die zentralsten Technologien für Klimaschutz, wie wir gleich sehen werden.

Wo stehen wir aktuell?

Die untenstehende Grafik zeigt die Entwicklung der weltweiten Stromproduktion seit 2005.

Weltweite Stromproduktion aus fossilen Energien, Atomkraft, Wasserkraft, Biomasse sowie Wind und Solar. Dabei zeigen Wind- und Solarenergie eine enorme Wachstumsdynamik. Quelle der Daten: ourworldindata.org und EMBER 2022.

 

Wind- und Solarenergie haben zusammen im Jahr 2022 rund 12% des weltweiten Strombedarfs gedeckt [2]. Das ist deutlich mehr als die Atomkraft, welche rund 9% gedeckt hat [2]. Nach wie vor machen die fossilen Energien aber den Löwenanteil aus.
Die Wind- und die Solarenergie wachsen seit Jahrzehnten exponentiell: Deren Jahresproduktion erhöht sich jeder Jahr um rund 15% bis 20%.

Preisentwicklung

In den letzten 10 Jahren wurde die drei Technologien Solar, Wind und Batterien massiv günstiger. Bei vielen Technologien sinken die Kosten, wenn die produzierte Menge steigt. Dank dieser Lernkurve und Economy-of-Scale sanken die Produktionskosten jedes Jahr. War zu Beginn noch Subventionen nötig für Wind- und Solarkraft, läuft das in vielen Ländern bereits ohne jegliche Subventionen. Im der unten stehenden Grafik sind die durchschnittlichen Stromproduktionskosten von Grosskraftwerken in den USA dargestellt.

Entwicklung der durchschnittlichen Produktionskosten von Strom aus Solar, Wind, Kernkraft, Kohle und Erdgas in den USA. Dies sind Kosten von Grosskraftwerken und nicht zu vergleichen mit Produktionskosten einer kleinen Solaranlage auf einem Hausdach. Quelle der Daten: Lazard, LCOE, Verison 15.0

 

An vielen Orten auf der Welt ist mittlerweile Wind- und Solarenergie günstiger als Kohlekraft. Daher beschleunigt sich der Ausbau mittlerweile von alleine. Und je mehr Solarmodule und Windräder produziert werden weltweit, desto besser, effizienter und vor allem günstiger werden sie. Und je günstiger sie werden, desto mehr davon wird weltweit installiert. Eine positive Spirale.

Was wenn Wind- und Solarenergie weiter so wachsen?

In den letzten 10 Jahren kam jedes Jahr 15% bis 20% mehr Wind- und Solarenergie dazu. Das bedeutet eine Verdoppelung alle 4 bis 5 Jahre. Ich komme später dazu, welche Wachstumshemmnisse limitierend sein könnten. Nehmen wir also erst mal an, dass Wind- und Solarenergie bis 2035 weiter wachsen werden. Das würde folgendermassen aussehen.

Was passiert, wenn die Stromproduktion von Solar- und Windenergie weiterhin exponentiell wächst? Dargestellt ist ein jährliches Wachstum von 18%, welches Jahr für Jahr leicht abnimmt bis auf 10%.

 

Viele Leute, denen ich diese Kurve zeige, sagen spontan, das sei nicht realistisch. Allerdings fanden es die Leute auch nicht realistisch, als ich 2015 sagte, dass Wind- und Solar in einigen Jahren mehr Strom produzieren als die Kernkraft. Wenn die Ökonomie stimmt und die benötigten Rohstoffe vorhanden sind, dann ist exponentielles Wachstum durchaus realistisch.

Lass uns also ansehen, was die Auswirkungen wären auf die CO2-Emissionen. Für diese Betrachtung treffe ich die Annahme, dass Wassserkraft und Biomasse nur ganz leicht wachsen und die Produktion aus Kernkraft konstant bleibt, wie in den letzten 15 Jahren. Weiter nehme ich an, dass der Strombedarf jährlich um 700 TWh steigt, wie dies in Vergangenheit der Fall war.

Wenn die Solar- und die Windenergie weiterhin exponentiell zunehmen, beginnen sie in Kürze die fossile Stromproduktion zu verdrängen.

 

Ein weiteres exponentielles Wachstum von Wind- und Solarkraft würde dazu führen, dass bis 2035 die fossile Stromproduktion um ganze 60% sinken würde. Die fossile Stromproduktion ist verantwortlich für 26% der Treibhausgasemissionen weltweit und somit ein enorm zentraler Sektor. Das würde uns dem Ziel von Netto-Null bis 2050 entscheidend näher bringen. Das wäre ein zentraler Erfolg für Klimaschutz und zwar global. Und das ist realistisch.
Auch in den weiteren Sektoren Ernährung, Verkehr, Wärme und Industrie gibt es interessante Entwicklungen, die ich bei anderer Gelegenheit beleuchten möchte. Mit all diesen Entwicklungen wird Netto-Null bis 2050 vorstellbar.

Hemmnisse

Nachfolgend, die aus meiner Sicht drei zentralen Hemmnisse für ein weiter exponentielles Wachstum.

1) Netzintegration
Solar- und Windenergie fallen unregelmässig an. Das erschwert die Integration ins Stromnetz. Was es dazu braucht ist ein Ausbau des Stromnetzes, das ermöglicht regionale Schwankungen auszugleichen. Weiter müssen flexible Verbraucher aktiviert werden, auch genannt (Demand Side Management). Flexible Verbraucher brauchen den Strom dann, wenn viel produziert wird (und daher günstig ist) und haben wenig Verbrauch, wenn wenig produziert wird. Weiter muss Strom über mehrere Stunden gespeichert werden, um Produktion und Verbrauch auszugleichen. Mittlerweile werden viele grosse Solarkraftwerke mit grossen Batteriespeichern ausgerüstet, um den Strom vom Mittag in den Abend zu verschieben. Batterien wurde getrieben durch das Wachstum der Elektromobilität stetig besser und günstiger in den letzten Jahren. Durch weitere Kostenreduktionen ist absehbar, dass Strom aus Solarkraftwerken inklusive Batterien die Produktionskosten von Kohlestrom unterschreiten [3].

2) Platz
Erneuerbare Energien brauchen Platz. Viel Platz. Weltweit hat es mehr als genug Platz dafür, aber nicht immer am richtigen Ort. Eine der Herausforderungen besteht also darin, den Strom aus den Wüstenregionen in die urbanen Zentren der Welt zu transportieren. Weiter kann die Akzeptanz von Wind- und Solarenergie im besiedelten Raum ein Hemmnis darstellen.

3) Rohstoffe
Ein System bestehend aus Wind, Solar und Batterien braucht eine grosse Menge an Metallen. Konkret geht es um Kupfer, Aluminium, Stahl, Nickel, Silizium, Lithium, Zink, Chrom, Mangan, Graphit, Kobalt, Molybdän und seltene Erden. Wenn gewisse Elemente davon knapp (und dadurch teurer) werden in Zukunft, könnte dies das weitere Wachstum der Erneuerbaren hemmen. Allerdings ist es eine der Stärken der globalisierten Marktwirtschaft mit Knappheit umzugehen. Kritisch ist der Abbau dieser Rohstoffe, welcher teils massive ökologische und soziale Schäden verursacht. Zu berücksichtigen ist, dass ein fortschreitender Klimawandel voraussichtlich deutliche gravierendere Schäden anrichtet.

Was heisst das für die Schweiz?

Die Erkenntnisse lassen sich nicht auf die Stromproduktion in der Schweiz übertragen. Dafür hat die Schweiz zu wenig verfügbare Fläche. Die Schweizer Stromproduktion wird daher auch in Zukunft subventioniert werden müssen, um mit der Europäischen Stromproduktion konkurrenzieren zu können. Das ist vergleichbar mit der Landwirtschaft, die es ohne Subventionen sehr schwer hätte.

Fazit

Weiteres weltweites Wachstum der erneuerbaren Energien könnte dazu führen, dass noch in diesem Jahrzehnt die CO2-Emissionen aus der fossilen Stromproduktion beginnen deutlich zu sinken. Es scheint im Bereich des Möglichen, dass Solar- und Windenergie nach und nach Kohle, Öl und Gas verdrängen. Wichtig dabei ist, dass die genannten Hemmnisse für den weiteren Ausbau reduziert werden. Hier ist auch die Politik gefragt.

Das wäre ein Moment den grassierenden Zynismus zur Seite zu legen. Die Frage ist doch: Was können wir tun, um zu diesen positiven Entwicklungen beizutragen? Je schneller wir die Treibhausgas-Neutralität (also Netto-Null) erreichen, desto weniger gravierend werden die Klima-Schäden sein. Jedes Zehntelgrad Erwärmung zählt.


Quellen:
[1]:
ourworldindata.org
[2]: EMBER,
Global Electricity Review 2023
[3]: Systemiq,
The Breakthrough Effect, 2023

Martin Neukom