Bilanz der Natur
Ich mag diese Jahreszeit. Die Tage werden wieder länger und es wird langsam wärmer. Die Natur erwacht. Morgens hört man die ersten Vögel. Da und dort spriessen die Schneeglöckchen. Man könnte fast glauben, es sei alles in Ordnung mit der Natur. Doch der Schein trügt enorm.
Der Natur geht es schlecht. Die Artenvielfalt geht massiv zurück. Die Öffentlichkeit scheint nichts davon bemerken; in unserer schnellen und lauten Welt hört man die Natur kaum. Zudem ist die Veränderung in der Natur so langsam, dass wir es kaum merken. In der Psychologie heisst das «shifting baseline»: Wir vergleichen unsere Erfahrungen immer mit dem, was wir als normal betrachten. Langsame Veränderungen von «normal» über die Zeit können wir Menschen schlecht wahrnehmen.
Aber wir können die langsamen Veränderungen messen. So ist z.B. der Bestand der Feldlerche oder der Bachforelle im Kanton Zürich in den letzten 20 Jahren um mehr als 80% zurückgegangen. Und das sind keine Einzelfälle. Seit 1900 sind in Trockenwiesen 95% der Tier- und Pflanzenarten gestorben. In den Mooren sind es 80% der Arten. Das schreibt der Kanton in der Bilanz zur Umsetzung des Naturschutzgesamtkonzept.
Besonders besorgniserregend ist der Schwund der Insekten. Viele mögen das vielleicht spontan nicht verstehen. Insekten nerven beim Baden und beim Grillen, wo ist also das Problem? Für die Natur sind die Insekten Dienstleister: Sie bestäuben Pflanzen, verwerten Abfälle sind Nahrungsquelle für grössere Tiere wie Vögel (link). Eine Langzeitstudie in Deutschland fand heraus, dass Insektenbestand um 75% abgenommen hat innerhalb der letzten 27 Jahren (link). Das ist gravierend, da das Aussterben von Insekten ganze Nahrungsketten gefährden könnte.
Wenn ich an Podiumsdiskussionen das Thema Umweltschutz anspreche, dann heisst es von der Gegenseite häufig, dass man ja schon so viel tue. Fakt ist, dass dies nicht halbwegs ausreicht. So schreibt der Kanton in einer Publikation: «Die bisherigen Massnahmen reichen für den langfristigen Erhalt der bedrohten Lebensräume und Arten nicht aus» (link).
Die Ursachen sind schnell gefunden. Es ist der Einsatz von Pestiziden, die Überdüngung der Böden (Eutrophierung), Lichtverschmutzung, der Klimawandel und durch Strassen und Siedlungen zerstückelte Lebensräume.
Die Massnahmen dagegen sind ebenfalls bekannt. Doch es braucht dazu Gesetze, Verbote, Anreize und einige Massnahmen kosten auch Geld, was über Steuern finanziert werden muss. Hier blockiert die rechtsbürgerliche Ratsmehrheit svp, fdp, edu und cvp komplett. Darum ist es wichtig, dass sich die Mehrheitsverhältnisse in den Parlamenten zugunsten der Natur verändern. Wählbare Parteien in diesem Bereich haben die Umweltverbände zusammengestellt (link).
Wir Menschen sind Teil der Natur. Wir stehen nicht über ihr. Es ist dringend nötig, ihre Sorge zu tragen.